Die Sonne scheint in hellem Violett. In der Mittagshitze aalen sich die halbnackten, braunen Leiber am schwarzen See. Irgendwo weint ein Mädchen. Mein Blick schweift umher bis ich die Kleine entdecke. Sie liegt am Boden, umringt von anderen Kindern. Sie beschimpfen sie, spucken, treten nach ihr. Keiner schreitet ein. Mit schnellen Schritten bin ich bei der kleinen Gruppe und beende das grausige Spiel mit fester Stimme.
"Was ist hier los?" Die Gruppe löst sich auf, nur ein kleiner dicker Junge blickt mich trotzig an.
"Das geht dich nichts an, du Penner."
Ich blicke ihm fest in die Augen. "Glaubst du das wirklich?", frage ich mit ruhiger Stimme. "Wenn Ungerechtes geschieht geht uns das alle an."
Verunsichert von meiner Reaktion beginnt er von einem Bein auf das andere zu tänzeln.
"Sind sie der Aufpasser von der da?", fragt er und zeigt mit verächtlichen Blick auf die Kleine, die noch immer schluchzend im roten Gras liegt. Es fröstelt mich angesichts soviel emotionalen Kälte. "Spielt das eine Rolle?", frage ich, kniee mich neben dem Mädchen nieder und begutachte ihre Verletzungen. Ihr Körper ist zerschunden, die Kleidung verdreckt. Vorsichtig streiche ich ihr mit der Hand durchs Haar und lasse sie schließlich auf ihrer Stirn ruhen. "Alles wird gut.", flüstere ich und lasse meinen Kräften freien lauf. Ihre Wunden beginnen sich zu schließen. Der dicke Junge tritt neben mich und blickt fasziniert auf das Geschehen. Unsere Köpfe befinden uns auf einer Ebene. "Ihr seid noch so Jung und hasst schon wie die Erwachsenen.", stelle ich resignierend fest.
Der Kleine meidet meinen Blickkontakt, zieht die Nase hoch und erwidert trotzig, "Die blöde Kuh hat behauptet, sie ist genau so Patorianer wie wir, dabei sieht doch jeder, das sie anders ist."
"Und wer sagt dir, wie ein "echter" Patorianier aussieht?
"Jedenfalls nicht so wie die da!", weicht er meiner Frage aus.
Ich schüttle angesichts von so viel Ignoranz den Kopf. Ekel überkommt mich, als ich an das soziale Umfeld denke, dem der Junge entstammt und in dem Moment schäme ich mich Patorianer zu sein. Meine beiden Kopftentakel sträuben sich und zucken in die Richtung des Jungen. Erschrocken ergreift dieser schreiend die Flucht und ist Sekunden später zwischen den Leibern am Strand verschwunden. Keiner nimmt Notiz von uns. Alle sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Ich helfe dem Mädchen auf, mustere sie von Kopf bis Fuß und lächle sie freundlich an. Mein drittes Auge halte ich geschlossen. Ihre Spezies ist mir unbekannt, blasse Haut, nur zwei Augen, keine Kopftentakel und mandelbraunen Augen in dehnen man glaubt versinken zu können.
"Danke!" sagt sie schluchzend.
"Wo kommst du her?, frage ich sie.
"Aus der Stadt! Meine Eltern sind Botschafter hier auf Patoria. Ursprünglich kommen sie von der Erde, aber ich bin hier geboren."
Ich versuche mich an einen Planeten mit Namen Erde zu erinnern, erfolglos. Die Galaxis ist einfach zu groß und ich nur ein gewöhnlicher Bürger, der noch nie den Planeten verlassen hat. In Gedanken beschließe ich aber, mehr über diese "Erde" in Erfahrung zu bringen. An das Mädchen gewandt sage ich, "Komm, ich bringe Dich nach Hause"
Als wir gemeinsam den Weg zurück zur Stadt einschlagen, greift sie nach meiner Hand und hält mich zurück.
"Bis du ein Held?"
Ich lächle sie wissend an, "Ja, so könnte man mich nennen."
Sie lächelt zaghaft zurück und erwärmt dadurch mein Herz.
"Glaubst du, ich könnte auch ein Held werden?, fragt sie mich schüchtern.
Ich nicke, "In jedem von uns steckt ein Held. Wir müssen ihn nur finden und heraus lassen."
Sie blickt mich aus ihren wunderschönen Augen an und ich sehe darin Entschlossenheit.
"Dann werde ich ihn solange suchen, bis ich ihn gefunden habe."
Wir gehen weiter durch diese Welt voller Schuld, doch in diesem Moment verspüre ich keine Sühne, denn ich habe den Helden in mir gefunden.